rheinische gerichte und speisungen
himmel und erde
Um 1600
äpfel und kartoffeln werden mit flöns, deren bestandteile blut und gewürfeltes fettgewebe vom hausschwein sind, zu rheinischem manna hochstilisiert.
das gericht hat seinen ursprung möglicherweise in rheinischer faulheit oder unvermögen (vulgo dummheit), oder beidem, die von einem apfelbaum auf einen kartoffelacker gefallenen äpfel bei der ernte der kartoffeln auszusortieren. differenzierter rheinischer artikulation entspricht es, beide gewächse mit ´appel´ und herkunft zu bezeichnen, was nur solange funktioniert, wie der apfel am baum hängt, nach seinem herabfallen wird die sache schon schwieriger; anfallendes blut mit hautpartikeln verschiedener säuger gab es im rheinischen ´jerangele´=´struggle for life´ wohl immer schon reichlich und wurde dem gericht beigemengt, dessen fantasielosigkeit dadurch verschleiert wurde, dass man eine gute geschichte vom herrjott dazu erfand, also von der realität der nicht erbrachten leistung auf kölsche art gekonnt ablenkte und dabei schlecht aß, es aber nicht merkte.
2006, lidl scanner packs auf rheinischen basalt köpfen
1984 im beobachtungsfeld des kleinen bruders
in diesem jahr waren zwei aufrechte freunde und ich auf dem bonner münsterplatz im künstlerischen einsatz mit der aktion ´himmel und erde`, kämpften vor zuschauern im platzregen mit dem zu matsch mutierenden rheinischen boden, während die transzendente video technik von zwanzig meter hohen windmühlenflügeln auf das artistengewusel die kameras richtete. die ganze aktion wurde, heute bezeichnet man das als public viewing, auf eine großbildleinwand projiziert. das vermengen mit schlachtabfällen wurde von uns mit farbpigmenten und erden symbolisiert. sponsoren nannten sich auch vor 20 jahren schon so. es waren der köln-bonner flughafen und video bonn, das lokale fernsehen. arm in arm schauten beethoven und mein alter citroen zu.
5o meter entfernt schlug h.a.schult, der auch damals schon h.a.schult hieß & war, im schaufenster von hertie dazu den takt beim zerkleinern der aussteuer seiner muse mit einem hackebeilchen.
2006 saturnisches nachtfieber am 9.9.
am frühen abend wälzt sich der blutende september vollmond bei bensberg über den rand der riesigen paellapfanne der kölner bucht. ein geiler event für frisch verliebte und sentimentale spätromantiker des letzten jahrtausends. vom open air pfarrfest herüber erklingt das schunkel plagiat ´ich hab´mich verloren, verloren in dich, ...´ und schwingt sich zum zirpen der grillen den villerücken entlang.
ich vertreibe aufkommende gefühlssarkasmen in form von durchträumten beziehungsfleddereien mit dem kalashnikovartigen geschnarre des dauerauslösers meiner olympus. 246 aufnahmen in echtzeit! ich setzte die kamera ab und blicke in die pfanne:
tief unter mir bis hin zum horizont kurz vor neuß köchelt in lauer spätsommerlicher abendsoße nun schon seit unvorstellbar vielen jahrtausenden dieses ripuarische nationalgericht aus rechthaberei, bevormundung, dummheit, ehrgeiz und ungerechtigkeit, gewürzt mit einer gewaltigen prise ´klüngel, klaaf & jailheit´. das gericht ist nicht unbedingt als eine armenspeisung von caritas, lisa jones oder bahnhofsmission zu verstehen, sondern eher als die fütterung der stärksten printenmänner und -weiber des cologne ellbogen däuens, eine von orgiastischem gestöhne und ekstatischem geschluchze (je t´aime ...) begleitete atzung und labung derer, die unbedingt dazu gehören und aufsteigen wollen in der hierarchie dieser colonia dignidad, die sehnsucht verspüren nach befehlsketten, seilschaften, parteien, vereinen, gesellschaften oder anderen höheren weihen und daseinsformen.
da der heiße und bröckelige sud aus der pfanne nicht so leicht zu schlucken ist, wird wie bei französischen stopfgänsen mit offizieller erlaubnis nachgeholfen: der hungernde kniet auf ungepolstertem neoromanischem eichengestühl nieder und ein ordentlich bestellter stopfer in schwarzer diakons soutane drückt mit geübtem griff (i.e. schnelles nach unten ziehen des kopfes an den nackenhaaren) die portion mousse de cologne durch mund und speiseröhre direkt in den magen, wo sie ihre eklatant bleierne aber doch delektierende wirkung ohne kauen zu müssen ex subito entfaltet.
cologne stopf stoessel towerdas zu diesem prozess benötigte instrumentarium oralis nennt man seit alters her stopfstößel und die zu hohen stoßfesten benutzten gerätschaften werden nur zu diesen kultischen gnadentagen aus dem städtischen stopfstößel museum an der fleischmengergasse entliehen.
sollte es trotz größter sorgsamkeit seitens der stopfer beim aufnehmenden zu übelkeit oder erbrechen kommen, wird seit alters her das eau de cologne zur raschen kaschierung des fauxpasses verwandt.
die einzelnen stopfer nehmen ihre gesellschaftlichen verpflichtungen und aufgaben sehr ernst und mit zunehmendem lebensalter ähneln die falten ihrer gesichter denen ihrer soutanen.
mehrere male durfte ich in meinem leben an solchen beköstigungen teilnehmen und jedes mal fühlte ich mich trotz gegenteiliger öffentlicher beteuerungen der stopfer ihren versteckten grobheiten ausgesetzt.
einige aspiranten, die aus von ihnen selbst zu vertretenden gründen von der aufnahme ausgeschlossen waren, nahmen sich das sehr zu herzen und von einem fall weiß ich, dass ein ausgeschlossener praktikant hoch auf den zinnen der bottmühle stand und sich in den abgrund stürzen wollte, wenn ihm nicht ein herbeigerufener stopfer versprochen hätte, ihn von der nächsten speisung nicht auszuschließen.
realitas rhenaniae
rheinische stadteinfahrt:
autobahnanbindung,
unkraut, kappes, eisenwerk,
sunpoint, mc donald´s,
alles unter hochspannung
zum puffejal ob max-ernst-stadt oder karl-marx-stadt,
die letzte nummer wird gemacht,
auch wenn der ganze zirkus lacht!
stumme rheinische beobachter
stumme rheinische beobachter sind stühle, die an strategisch wichtigen punkten, z.b. dem sechtemer bahnhofskiosk, aufgestellt werden und bis zur unvermeidbaren liquidierung durch private oder öffentliche instanzen im heimatlichen umfeld ihre pflicht erfüllen.
stummer rheinischer beobachter, köln 1973
besinnung / gesinnung
als ich heute im bistro des brühler baumarktes maxus zwischen blumentöpfen, parkenden autos und einkaufswagen in der sonne sitze und über den sinn dieser montagesequenz nachdenke, habe ich zuerst das gefühl der freiheit dessen, der die kunst sucht und findet. meine kunst ist sicher keine geheimwissenschaft, sie ist für mich suche nach innovativer kreativität, nach wegen, die möglicherweise noch nicht beschritten sind. brinkmann spricht aus mir und gleichermaßen der, der neben mir um 11 uhr vormittags das panierte fleisch mit fritten isst, mein alter ego.
ich fühle zeitgleich dieselbe sekunde auf identischem parkplatz mit frittenbude hinter nordseedünen in westenshowen, spüre ein gefühl von verlorener liebe, wie so oft in meinem leben, und atme für bruchteile von den dünen herab in die weite der sich öffnenden see, bevor die wellen über mir zusammenschlagen.
wieder im elend des brühler baumarkt parkplatzes verrühre ich mit umgedrehter hölzerner frittengabel zucker, milch und kaffee im neudeutschen kaffeepott. an der selbstbedienungstheke ist die hölzerne frittengabel als einzige rührhilfe erhältlich, universalbesteck für hungrige baumarkttrapper & fingerfoodfans.
aus dem brennenden dornbusch neben dem frauenparkplatz offenbart es sich mir, wie wichtig es für mich sein wird, meinen stummen rheinischen beobachter zu reanimieren, dass er endlich seine verlorene sprache wiederfindet, schreit, all das sagt, was seit 1947 raus muss aus dem, den man als wechselbalg zufälligerweise im rheinland an neudeutscher front verloren hat, zwischen den wirklichkeiten der besserwisser krabbelnd.
als kellermolch habe ich 35 jahre lang in ripuarisch-katakombischen reservaten colonias die keuschen hinweise der stopfer befolgt und fleißig ihre psalmen geleiert.
nach letzter häutung zeigt sich die hülle leer, die metamorphose lässt sich wissenschaftlich nicht erklären, und auch das schnell programmierte navi des oberstopfers vermeldet keinen weg.
und dies ist das ende der geschichte, mein liebes kind, und wenn die ripuarischen stopfer nicht gestorben sind, dann stopfen sie noch heute.
für euch, die ihr unter die ripuarischen stopfer fielt
